Im großen Zelt wird Gottesdienst gefeiert…

Som­mer­fest der Schu­le für Cir­cus­kin­der. Im gro­ßen Zelt wird Got­tes­dienst gefei­ert. Die Kapel­le des klei­nen Fami­li­en­cir­cus spielt dazu auf. Schul­ab­schluss-Zeug­nis­se wer­den über­reicht. Damit wer­den Wei­chen gestellt für die wei­te­re schu­li­sche und beruf­li­che Zukunft. Stolz liegt in der Luft. Und Dank­bar­keit. Die neu­en Schü­le­rin­nen und Schü­ler wer­den
begrüßt. Eben­so die neu­en Leh­re­rin­nen und Leh­rer, die sich auf eine beson­de­re Tour­nee ein­las­sen: das Ler­nen auf Rädern in einer inno­va­ti­ven Schu­le mit indi­vi­du­el­len Lern­bio­gra­phien. Wir bit­ten um Got­tes Segen. Wir haben sei­nen Segen gespürt.

Schu­le für Cir­cus­kin­der — da klatscht die Sym­bol­di­dak­tik vor Freu­de in die Hän­de: Ein Zelt, ein Cir­cus, eine Mane­ge, ein fah­ren­des Klas­sen­zim­mer…! Sym­bo­le geben zu ler­nen. Sie erzäh­len von der Trä­ge­rin, der Evan­ge­li­schen Kir­che im Rhein­land. Und sie tra­gen dazu bei, dass jun­ge Men­schen ein eige­nes Selbst‑, Welt- und Got­tes­ver­hält­nis ausbilden.

Das Zelt erin­nert mich an die Kir­che, die das Neue wagt. Isra­el ist auf­ge­bro­chen aus der Skla­ve­rei, um das Land zu suchen, das Gott ver­spricht. Das wan­dern­de Got­tes­volk ist mit leich­tem Gepäck unter­wegs. Schnell wer­den Zel­te auf­ge­baut und abge­bro­chen. Eine Kir­che, die sich stän­dig ver­än­dert, um ihrem Auf­trag gerecht zu wer­den, ist voll­ge­packt mit
Hoff­nung. Sie ver­zich­tet des­halb auf unnö­ti­gen Bal­last. Nicht nur Kin­der und Jugend­li­che ler­nen in der Schu­le für Cir­cus­kin­der, son­dern auch die Kir­che als Trä­ge­rin. Schon seit 1994 ist die Kir­che mit ihren rol­len­den
Klas­sen­zim­mern auf Tour und macht dabei erstaun­li­che Erfahrungen.

Da ist die Mane­ge. Eine Welt im Klei­nen. Alle gro­ßen oder schein­bar unbe­deu­ten­den Fra­gen kön­nen wie mit einer Lupe betrach­tet wer­den.
Ent­de­ckun­gen wer­den gemacht. In der Mane­ge wird das rich­ti­ge Leben geprobt. Wenn jemand abstürzt, soll er auf­ge­fan­gen wer­den. Wenn etwas Gro­ßes geleis­tet wird, lockt es den Jubel her­vor. Schu­le ist wie die Kir­che ein Lern­ort, an dem man Feh­ler machen darf. An dem Gren­zen aus­ge­lo­tet wer­den. An dem man mit gegen­sei­ti­ger Hil­fe­stel­lung rech­nen darf.
Ein Ort, wo das Ich gestärkt und das Wir ent­wi­ckelt wird.

Die Schu­le auf Rädern ist zu einem päd­ago­gi­schen Pilot­pro­jekt gewor­den, das nun auch in ande­ren Bun­des­län­dern umge­setzt wer­den soll. Wenn ich die umge­bau­ten Schul­mo­bi­le anschaue, weckt das mei­ne Sehn­sucht nach einer Schu­le, die sich zu den Lebens­wel­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler auf­macht. Hier kann Schu­le zur Schu­le gehen. Denn die SfC, wie sie kurz heißt, ist nicht nur ein Modell für Cir­cus­kin­der, son­dern auch für ande­re Schu­len: selbst­or­ga­ni­sier­tes Ler­nen, bin­nen­dif­fe­ren­zier­ter Unter­richt, indi­vi­du­el­le Lern­plä­ne, Pro­jekt- und Frei­ar­beit, tech­ni­sche Hilfs­mit­tel im „open distance lear­ning“ und vie­les mehr gehört zu ihrem krea­ti­ven Poten­ti­al. Dass dabei Päd­ago­gik und die Lösung von All­tags­fra­gen oft Hand in Hand unter­wegs sind, ver­steht sich bei dem ganz­heit­li­chen Bil­dungs­ver­ständ­nis von selbst.

Ein Fest für Schü­le­rin­nen und Schü­ler — nicht nur im Som­mer,
son­dern das gan­ze Jahr lang.

Klaus Eberl
(Lei­tung der Abt. ‘Bil­dung’ der EKiR, a.D.)